der Schummlauer

Die Elstraer Geschichten

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100 Jahre Zweiradhaus Mierisch Elstra, Teil 4 (Ende)

1960 gründete Rolf Mierisch mit einigen Freunden den Motorsportclub Elstra im ADMV der DDR (Allgemeinder Deutscher Motorsportverband). Schwerpunkt lag anfänglich beim Motorradveteranensport. Dabei handelte es sich um Motorräder, die in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts produziert wurden. Sie wurden fahrbereit gemacht und damit konnten dann die Clubmitglieder an KfZ- Vetranenveranstaltungen zur Bezirks- und DDR- Meisterschaft teilnehmen.

Rolf fuhr damals z. B. eine Zweizylinder NSU 500.

In einem stillgelegten Steinbruch bauten die Clubmitglieder ein altes verfallenes Gebäude zum Clubheim um, weil das Gelände um den Steinbruch sich als ideal für den Trialsport herausstellte. Hier fanden dann auch Meisterschaften bis hin zu internationalen Pokalwettbewerben statt.

Leider konnten die Teilnehmer aus der DDR nur auf ihre JAWA und MZ Eigenbau Motorräder zurückgreifen, wo hingegen die anderen Teilnehmer aus den damaligen sozialistischen Ländern wie Polen, Tschechien, Ungarn, UdSSR mit den neuesten japanischen und italienischen Trialmotorrädern anreisten. Unsere Fahrer hatten deshalb keine Siegchancen. Aber der Spaß am Fahren überwog und die Stimmung war immer gut.

Rolf steigt in die sogenannte Konsumgüterproduktion ein.

Nach langen, zähen Verhandlungen und wie üblich auch mit guten Beziehungen gelang es Rolf Mierisch, einen Vertrag mit dem VEB Fortschritt Neustadt/Sa. über die Reparatur des Gartengeräteträgers E 930, der in Sebnitz gebaut wurde, abzuschließen und sich somit ein zweites Standbein aufzubauen. Hintergrund war, dass dieses Gerät mit Simson- Motor als Antrieb lief.

Mit großem finanziellen Aufwand gelang es ihm, diesen Vertrag durchzusetzen und zu erfüllen, auch mit dem weiter entwickelten Gerät E 931. Auf dem Betriebsgelände wurde ein extra Lager für alle Anbauteile eingerichtet, wie z. B. Schneeschiebeschilder, Ackerpflüge, Heuwender, Einachsanhänger, Mähbalken etc.

Dafür musste ein Transporter her. Das war wieder, wie eigentlich immer, mit großen Schwierigkeiten verbunden. Über Umwege und Beziehungen kam dann eine nackte „Schrottkarosse“ eines B 1000 auf den Hof und mit einer Aufbaugenehmigung aus Dresden konnte Rolf nun diesen B 1000 aufbauen und gebrauchsfähig machen. Witzig war dann die Anmeldung auf dem Volkspolizeikreisamt. Der dortige Polizist datierte die Fahrzeugzulassung auf den 32. März 1985. Dieser B 1000 fuhr bis 1992. Danach bekam er keinen TÜV mehr und Rolf stieg auf Peugeot um.

Mit der Wende 1989/90 änderte sich auch im Geschäft der Mierischs einiges. Der Handel mit Ersatzteilen und Fahrzeugen rückte plötzlich in den Vordergrund.

Der bis dahin zuständige IFA- Vertrieb durfte vom Simsonwerk in Suhl keine Simson- Kleinfahrzeuge mehr abnehmen. Und, wen wundert's? Da sprang Rolf gern ein, zumal er die Suhler ja auch kannte. Alle 14 Tage fuhr er mit einem Saunafreund nach Suhl und holte die Fahrzeuge ab. Kaum war er wieder zu Hause waren sie quasi vom Wagen weg schon verkauft.

Das Simson- Werk in Suhl wie auch der Betrieb Neustadt gingen dank der Treuhand in die Insolvenz und Rolf nahm den beiden Betrieben Fahrzeuge und gelagerte Geräte ab und konnte alle auch an den „Mann“ bringen, da die Nachfrage nach wie vor groß war. Aber irgendwann waren die Lager abverkauft und es stand die Frage, wie nun weiter, auch was die Werkstatt betraf. Nach wie vor lief das Reparatur- und Verkaufsgeschäft durch den „Hausflur" wie zu seines Vaters Zeiten.

Viele Vertreter und auch sogenannte „Besser-Wessis“ gaben sich bei Mierischs die Klinke in die Hand. Einige versuchten auch, sie über den Tisch zu ziehen. Aber Rolf und seine Frau Liane waren nicht auf den Kopf gefallen und erkannten schnell, mit wem man verlässliche Geschäfte machen konnte und wer sich nur als „Schaumschläger“ entpuppte.

Bei Mierischs wurden nun Fahrzeuge der Marken VESPA, Gilera, Herkules und Sachs Bikes verkauft. Manche verkauften sich gut, andere weniger. Nach langer und sehr aufwändiger Suche, die oft mit einer Ablehnung eines ostdeutschen Bewerbers verbunden war, zahlte sich Hartnäckigkeit aus und es konnte 1993 der Vertrag mit Yamaha Motors Deutschland abgeschlossen werden.

Tochter Annett war inzwischen auch mit in der Firma tätig und so dauerte es dann nur noch fünf Jahre bis ihr Mann, Rolfs und Lianes Schwiegersohn Andreas, als inzwischen KfZ- Mechatronikermeister, den Betrieb übernahm. Daran hatten Rolf und Liane keine Zweifel, im Gegenteil, alles fügte sich so, wie sie es sich gewünscht hatten.

Sohn Uwe hatte inzwischen international Karriere bei Mercedes gemacht und sich auch örtlich anders orientiert.

Für das neue Geschäft wurde auch schnell das bisherige Grundstück zu klein und so begann im Frühjahr 1999 der Neubau eine Motorradhauses, dass noch im selben Jahr fertiggestellt und eingeweiht werden konnte. Über dem Eingang prankt nun das Firmenschild Zweiradhaus Mierisch. Das Zweiradhaus hat nach wie vor einen sehr guten Ruf weit über die Stadtgrenzen von Elstra hinaus. Wer was auf sich hält, schaut regelmäßig bei Mierischs mit vorbei und für einen fachmännischen Rat oder auch einfach nur Plausch finden Annett und Andreas immer Zeit.

Regelmäßig kann man auch nach wie vor Ralf hier antreffen. Leidenschaft bleibt Leidenschaft. 2008 erhielt Rolf den „Goldenen Handwerksbrief“ im Ramadan Hotel in Dresden. Dass jemand es aber jahremäßig noch länger macht, darauf scheint die Sächsische Handwerkskammer nicht vorbereitet zu sein. Zum 100jährigen Firmenjubiläum gab es deshalb von den Kindern und Enkeln den Eisernen Meisterbrief.

Nunmehr ist schon die vierte Generation mit Rolfs und Lianes Enkel Alexander bei Mierischs im Geschäft tätig. Ich hoffe, dass er die lange Tradition erfolgreich fortführen kann und das Zweiradhaus mindestens noch einmal genauso lange besteht.

Viel Erfolg und ein großes Dankeschön an den Senior und.... Hut ab Rolf!

Autor: Martina Höhn, Heimat- und Geschichtsverein Elstra e. V.