der Schummlauer

Die Elstraer Geschichten

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Das Weihnachtslicht von Elstra

Im kleinen Städtchen Elstra, wo früher die Dächer im Winter leise unter Schneemützen verschwanden, sich die Menschen die Skier anschnallten und fröhlich ihren Hausberg, den „Schwarzenberg“, hinabfuhren, da gab es auf dem Marktplatz das „Schwarze Ross“. Eine gemütliche Gaststätte, eingeschlossen vom Rathaus auf der linken Seite und vom herrschaftlichen Herrenhaus auf der rechten Seite. Hierher zog es die Elstraer und ihre Gäste, um gemeinsam mit Freunden oder in Familie eine gemütliche Zeit beim Bier, bei Wein und gutem Essen zu verbringen. Seit Generationen war sie so ein Treffpunkt für jung und alt geworden. Doch in den letzten 30 Jahren hatte sie etwas von ihrem Zauber verloren. Nicht wegen des knarrenden Gebälks, sondern wegen der Menschen, die kamen und gingen.

Nach längerem Leerstand fand sich ein netter Wirt, der den Leuten gute Hausmannskost anbot. Ein Mittagstisch, wer wollte, wurde sogar nach Hause geliefert. Dies nahmen besonders die Alten gern in Anspruch. Immer gab es einen netten Spruch und ein kleines Gespräch. Es fanden wieder Tanzveranstaltungen im großen Saal der Gaststätte statt und auch den Menschen von weiter her gefiel es hier im Mittelpunkt von Elstra. Die Elstraer selber blieben jedoch der Gaststätte immer mehr fern. Ein Schicksalsschlag bereitete dem ganzen ein jähes Ende. Der Wirt starb auf tragische Weise plötzlich und unerwartet.

Danach stand die Gaststätte über viele Jahre leer. Der Wunsch nach einem zentralen Treffpunkt blieb und niemand konnte so richtig erklären, warum sich kein Wirt mehr fand. Lag es am Gebäude oder an der Lage, an der gebauten Umgehungsstraße, die nun nicht mehr durch Elstra über den Markt führte?

Endlich nach vielen Jahren gab einen Lichtblick. Zur Kirmeszeit eröffnete lange angekündigt und mit verbundenenen Erwartungen das „Schwarze Ross“ mit italienischem Touch. Die Leute waren begeistert. Die Küche war zwar nicht mehr gut bürgerlich, sondern brachte südländisches Flair in das kleine Städtchen, aber die Elstraer waren neugierig und des Lobes voll über das gute Essen, den guten Wein, den angebotenen Hausschnaps und die netten Wirtsleute. Hoffnung machte sich breit, dass sich nun das Stadtzentrum wieder beleben würde.

Jedoch hielt sich die gute Stimmung nur eine kurze Zeit. Nach einem Jahr schon, warf der Wirt das Handtuch und machte sich über Nacht aus dem Staub. Wieder war guter Rat teuer. Die Stadtväter schüttelten in ihren Ratsssitzungen ihre weisen Häupter und fragten sich, woran es gelegen hatte, dass die Betreiber das Weite gesucht hatten.

Nach einem weiteren knappen Jahr fanden sich zwei Jünglinge, die es wieder wagen wollten. Angespornt von ihren Eltern, die andernorts auch eine gut gehende Gaststätte betrieben, wollten sie wieder mit italienischer Küche Gäste nach Elstra an- und die Elstraer hinterm Ofen vorlocken.

Doch nach einem Jahr Betrieb stellte sich auch hier wieder der Katzenjammer ein. Die Gäste blieben aus und schon bald war die Gaststätte wieder geschlossen.

Doch gerade als die Elstraer schon völlig ratlos waren, geschah etwas. Eines Abends, kurz vor dem ersten Advent, es fegte ein kalter Wind um die Häuser, flackerte ein einzelnes Licht drinnen im „Schwarzen Ross“. Wie ein Lauffeuer sprach sich dies im Städtchen schnell herum. Schon am nächsten Abend sah man Leute vor den Fenstern des Gasthauses stehen. Da erschien eine kleine ältere Frau mit einem Wagen voller Gewürze und Tannenzweigen. Sie stellte sich den Schaulustigen als Frau Winterlich vor mit Augen so hell wie Schneekristalle.

„Ich habe gehört, Ihr sucht jemanden, der bleibt“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. „Vielleicht bin ich nur für eine Weile hier...oder vielleicht auch länger. Aber heute Abend brauche ich Eure Hilfe.“ Neugierig folgten ihr die Leute hinein. In nur wenigen Stunden verwandelte sich das „Schwarze Ross“ in ein kleines Weihnachtswunder: Kerzenlicht glitzerte an den Fenstern, ein großer Topf mit Glühwein erfüllte den Gastraum mit vorweihnachtlichem Duft, aus der Küche drang der Duft von frisch gebackenem Brot und Braten.

Die Einwohner arbeiteten flüsternd, lachend, erinnernd- und plötzlich fühlte sich das Gasthaus wieder lebendig an. Als alles fertig war, setzte sich Frau Winterlich an die Theke und sah die Menschen an.

„Vielleicht braucht Ihr nicht einen Wirt, der bleibt,“ sagte sie leise. „Vielleicht braucht Ihr nur ein gemeinsames Herz, das dieses Haus füllt.“

Da verstanden sie es: Das „schwarze Ross“ musste nicht von einer Person getragen werden, sondern von allen, die es liebten.

Und so wurde an diesem Abend eine neue Tradition geboren: Jeder im Städtchen übernahm einen kleinen Teil. Die vielen Vereine teilten sich die Aufgaben. Einer kochte am Montag, ein anderer backte freitags, ein anderer kümmerte sich um die Musik oder um die Dekoration. Gemeinsam schenkten sie dem Gasthaus das, was es am meisten gebraucht hatte:

Stabilität- nicht durch eine Person, sondern durch Gemeinschaft.

Als der Schnee des Heiligen Abends fiel, leuchtete das „Schwarze Ross“ heller als je zuvor und über dem Eingang hing ein neuer Spruch:

Ein Zuhause bleibt, wenn Menschen bleiben.

 

Liebe Leserinnen und Leser des Schummlauers, etwas verspätet, jedoch noch rechtzeitig zum Jahreswechsel soll Sie diese kleine Weihnachtsgeschichte erfreuen und vielleicht auch etwas zum Nachdenken anregen.

Ich wünsche Ihnen für das Neue Jahr alles erdenklich Gute, viel Gesundheit und uns allen vor allem Frieden.

Bleiben Sie mit mir neugierig und helfen Sie mir, weiter interessante Geschichten und Geschichtchen zu erzählen.

 

Ihr Stadtschreiber