der Schummlauer

Die Elstraer Geschichten

Jetzt Quartal 1 / 2024 Downloaden!

Hatte Elstra eine Postmeilensäule?

Im postalischen Sinne nie, denn die Elstraer ist eine Distanzsäule. Meilensäulen standen/stehen in festgelegten Entfernungen an Straßenrändern und sehen ganz anders aus. Um Elstra/Kamenz sind leider keine erhalten. Distanzsäulen dagegen stehen meist auf dem Markt, vor der Post oder auch am Stadttor und geben die Richtungen/Entfernungen zu andern Orten, Grenzen usw. an, ihr Aussehen war festgelegt.

Warum gibt es bei Elstra aber Probleme?

Einmal gibt es keine urkundlichen Belege, dass 1725 (ein sehr frühes Datum für eine Kleinstadt!) überhaupt eine Säule angewiesen oder gar gesetzt wurde. Das Anfertigen und Aufstellen der Säulen musste die jeweilige „Obrigkeit“ bezahlen. Nun war Elstra 1717 völlig abgebrannt, hatte gerade so seine wichtigsten öffentlichen Gebäude wieder aufgebaut und Schulden. Da größere Städte ihre Säulen vielfach erst nach 1725 setzten, wäre es merkwürdig, wenn Elstra unter diesen Umständen schneller war. Der Bedarf für eine Distanzsäule abseits größerer Poststraßen dürfte auch gering gewesen sein. So ist auf einer Landkarte 1719 von Zürner bei Elstra nicht einmal ein Fahrweg eingezeichnet.

In alten Ansichten vom Marktplatz ist keine Säule zu sehen, sie fehlt insbesondere bei Wendler, der sonst alle relevanten Objekte abbildete. Angeblich (Quelle?) stand bis zur Verfüllung des großen Marktteiches 1859/60 eine Säule auf dem Obermarkt (Ecke Kirchgasse) vor der späteren Posthalterei des Bürgermeisters Bewilogua. Auf einem frühen Sächs. Meilenblatt (Berliner Ex.) ist nun aber ein nichtidentifizierbarer Punkt eingezeichnet und zwar dort, wo die Säule vermutet wurde.

Posthalterei um 1840 ohne Säule (Kirchgasse mit „Goldenem Stern“)

Wie es auch war, der damalige Bürgermeister Franz Rauchfuß ging auch aus Prestigegründen um 1926 davon aus, dass auch Elstra eine Distanzsäule gehabt haben müsste, von der aber nichts mehr bekannt war. Nach einer Akte im Ratsarchiv organisierte er eine „Neuanfertigung“. Die Kosten übernahm der Dramatische Verein „Preziosa“. 1928, am 26. Oktober, wurde die Säule eingeweiht.

Neugeschaffene Distanzsäule mit Bürgermeister Rauchfuß und Buchbindermeister Winkler

Leider wurde die Säule bald zerstört, Reste sind teils noch vorhanden. Auch eine weitere Neuanfertigung musste sich manche Zerstörung oder Umsetzung gefallen lassen. Die heute an der Südwest-Ecke des Markplatzes stehende Distanzsäule ist 1995 neu geschaffen, originalgetreu gestaltet und beschriftet und ein Schmuckstück der Stadt. Über eine Reinigung sollte mal nachgedacht werden.

Autor: Dr. Gunter Kretzschmar

Anmerkung der Redaktion:
Andere in Elstra sind davon überzeugt, dass es tatsächlich eine solche Distanzsäule aus dem Jahr 1725 gegeben hat. Immerhin wurden bei Verfüllarbeiten eines im Nordwesten (heutige Deutschlandhalle) des Marktplatzes befindlichen Brunnens Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts Bruchstücke einer vermeindlichen Säule gefunden mit der darauf befindlichen Datierung 1725. Dieses Bruchstück befindet sich zur Besichtigung im Foyer des heutigen Rathauses.

Kurfürst Friedrich August I. beschloss, dass im Kürfürstentum Sachsen zur Förderung von Wirtschaft und Handel  Kursächsische Postmeilensäulen aufzustellen seien. Die Finanzierung und letztlich Erledigung seines Vorhabens überließ er gnädigerweise den entsprechenden Herrschaften im Land. Ab 1725 begann man dann wohl tatsächlich mit der Aufstellung solcher Säulen. Dieses Postmeilensystem gilt heute noch als das erste Verkehrsleitsystem in Europa.