der Schummlauer

Die Elstraer Geschichten

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Geschichten und Erinnerungen rund um die "Lehmpfütze" von Rolf Mierisch, Teil 2

Der Garten neben der Lehmpfütze gehörte Herrn Robert Garten.


Es gab oft Auseinandersetzungen mit den spielenden Kindern von der Lehmpfütze, besonders wenn der Ball über den Zaun in seinen Garten gefallen war. Er fühlte sich häufig durch den Lärm der Kinder belästigt. Wenn er dann mit uns schimpfte, ärgerten wir Kinder den älteren Mann. Wir nannten ihn „Blumen Robert“ und durch das Rufen des Namens wurde er immer ärgerlicher, so dass er manchmal aus dem Garten kam, hinter uns her rannte und uns fangen wollte, was ihm aber meist nicht gelang. Wir flüchteten in die hinter den Scheunen liegende Schrebergartenanlage.

In den Jahren des II. Weltkrieges gab es z. B. 1941 einen strengen und sehr schneereichen Winter. Es lag hoher Schnee in den Straßen, so dass der Schneepflug, der damals noch mit Pferden gezogen wurde, kaum durch den Schnee kam.


An den Straßenrändern und am Fußweg waren die Schneemauern so hoch, dass man kaum noch aus den Fenstern der Häuser gucken konnte. Zu dieser Zeit war in Elstra Einquartierung von Militär. Die Soldaten mussten eingreifen und die Schneemauern mit ihren Pferdewagen von den Straßen abfahren. Dieser Schnee wurde auf die Lehmpfütze gebracht und zu großen Haufen aufgeschüttet.


So sahen früher die Winter in Elstra aus. Die Lange Gasse im Schnee.

Die älteren Jungen bauten auf der Lehmpfütze daraus einen Schneebunker. Der war so groß, dass man darin aufrecht laufen konnte und es gab mehrere Räume. So konnten wir uns in diesem Winter sehr gut die Zeit auf der Lehmpfütze vertreiben. Leider wurde der Bunker mutwillig von Kindern zerstört, die nicht zur Lehmpfütze gehörten. Damals haben wir nichts vom Krieg gemerkt.

Während vom 20. bis 26. April 1945 Kriegskämpfe in Elstra waren und Elstra von den Polen und Russen besetzt war, hatten sich auf der Lehmpfütze polnische Soldaten und Offiziere ein Quartier geschaffen. Der Platz glich nachher einer Müllhalde. Ganze Wohnungseinrichtungen wie Couches, Tische, Stühle, Betten und dazwischen Gasmasken, Maschinengewehre (siehe Bild), Pistolen und Gewehre mit abgeschlagenem Kolben und Munition zu all den Waffen, lagen überall herum.

Die älteren Jugendlichen sammelten mit Eimern diese Munition und auch die Waffen, die sie dann im nahe gelegenen Bauernbusch in Erdlöchern versteckten. Denn während des Krieges war auch der Bauernbusch unser Spielplatz. Hier bauten wir Erdhöhlen und Bunker entlang des Kesselwassers, sodass wir uns darin verstecken konnten. So war nun dort ein gutes Versteck für die Waffen und die Munition. Da wäre bestimmt kein Pole oder Russe hingekommen.

Später, als die polnischen Soldaten weg waren, hatten Einwohner dies beobachtet und die Jugendlichen mussten diese Munition und die Waffen wieder herholen und abgegeben, denn der Krieg war ja noch nicht zu Ende und der Besitz der Waffen konnte tödlich ausgehen, wenn sie entdeckt wurden.

Es gab auch ein Ereignis, was an der Lehmpfütze ein sehr trauriges Ende fand. Besonders den älteren Einwohnern von Elstra dürfte dies noch in Erinnerung sein.

Nachdem der Bäckermeister Gottfried König mit seinem Gesellen im April 1945 brutal von polnischem Militär erschossen wurde, kam sein Bruder Johannes aus Plauen/Vogtl. nach Elstra und eröffnete die Bäckerei wieder. Ende 1946 gab es eine Betriebsfeier der Bäckerei in der Gaststätte "Zur Fünfe", bei der ausgiebig gefeiert und gesungen wurde. Die Veranstaltung wurde durch einen stark angetrunkenen russischen Soldaten gestört, der nach mehr Alkohol verlangte, dann ziemlich wütend die Lokalität verlies. Zu dieser Zeit streunten noch ab und zu russisches Militär und vereinzelt russische Soldaten herum. Eine junge Angestellte der Bäckerei (Name dem Verfasser bekannt), die am nächsten Tag wieder frühzeitig in der Backstube stehen musste, machte sich auf den Heimweg über den Feldweg am Dobriger Steg und als sie auf dem Fußweg in Höhe der Lehmpfütze ankam, lauerte ihr dort der in der "Fünfe" abgewiesene russische Soldat auf, überfiel, vergewaltigte und erschoss sie. Wenig später wurde das tote Mädchen entdeckt, die Polizei und die russische Kommandantur in Königsbrück alarmiert. Die Suche nach dem Soldaten dauerte nicht lang. Er wurde gefasst und von den Russen mitgenommen. Ganz Elstra war damals in Aufregung und an der Beerdigung des Mädchens nahmen sehr viele Elstraer teil. Was aus dem russischen Soldaten wurde, blieb im Ungewissen. Es gab nie eine Gerichtsverhandlung. Die Sache wurde nicht weiter verfolgt. Das muss für die Hinterbliebenen sehr, sehr bitter gewesen sein.


Die Lehmpfütze in den 1960er Jahren mit der großen Trauerweide

Die Rentnerbank an der Lehmpfütze

Von links: Georg Lindner, Johannes Jehnichen, Frau Wronkowski, Frau Lindner (Kern's Annel), Liesel Wünsche (Frau von Adolf), Frau Wünsche (Frau von Karl Wünsche), Frieda Jehnichen

Die Plätze auf der Sitzbank am Zaun von Robert Gartens Garten an der Lehmpfütze gegenüber der Friedenseiche waren in den Nachmittagstunden des Tages immer ausgebucht. Hier war der Stammplätz für die in der näheren Umgebung wohnenden Rentner. Es war ein Platz an dem sich die Rentner wohlfühlten. Es gab es immer etwas zu beobachten und zu sehen. Wie die Leute auf ihren Heimweg, die mit dem Bus von Ihrer Arbeit, ob von Kamenz oder Bischofswerda am Markt angekommen waren und nun in ihre Wohnung in der AWG gingen, oder der Verkehr auf der damaligen „Straße der Befreiung“ zur Molkerei rollte. Immer gab es etwas zu sehen und zu beobachten.

Besonders interessant war es, wenn die Töpferei von Dietrich Jürgel ihren „Verkaufstag“ hatte. Es kamen viele Käufer, die die damals begehrten Keramikartikel wie Blumenvasen, Schalen aller Art, Krüge, Tassen und Töpfe kaufen wollten. Diese Artikel waren damals sehr gefragt und begehrt, weil es nichts Anderes gab, was man als Geschenk für die liebe Verwandtschaft im Westen als Geschenke verschicken durfte.

Um nicht lange anzustehen, hatten die Kunden nacheinander, wie sie kamen und einkaufen wollten, ihre Einkaufsbeutel an den Gartenzaun von Robert Garten gehangen, damit sie dann auch der Reihe nach bedient werden konnten. Es wurde ja nur jeder einzeln eingelassen. So konnten sie noch in der Zwischenzeit bis zur Öffnung der Töpferei, ihre Einkäufe in der Stadt besorgen.


die ehemalige Lehmpfütze mit der großen Klärgrube der AWG

Nach Beseitigung der Klärgrube in den 1990er Jahren baute die Firma Mierisch ihr neues Motorradhaus an diese Stelle und eröffnete es im Jahr 1999. Die Verfüllung der Klärgrube erfolgte mit 60 LKW Ladungen Mischgut.

    

Eröffnung Motorradhaus Mierisch 1999

Ende Teil 2

Vielen Dank an den Autor Rolf Mierisch!